Traumanetz Berlin fordert umfassende Versorgung und Schutz für traumatisierte Frauen
In Deutschland erlebt jede dritte Frau ab dem 16. Lebensjahr körperliche Gewalt, fast jede siebte Frau sexualisierte Gewalt unter Zwang und Drohungen – meist durch den aktuellen oder früheren Partner.[1] Gewalt kann verheerende, teils lebenslange Folgen für die psychische Gesundheit haben.
Frau Westphal vom Betroffenenrat des Traumanetz Berlin: „Es muss endlich akzeptiert werden, dass die Frauen sich nicht ausgesucht haben, betroffen zu sein. […] Die Politik muss Verantwortung übernehmen.“
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen fordert das Traumanetz Berlin: Nur durch konsequente politische Maßnahmen und eine gesicherte Finanzierung kann die psychische Gesundheit von Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben, langfristig geschützt und gestärkt werden. Durch gezielte Prävention und eine bedarfsgerechte Gesundheitsversorgung lassen sich hohe Folgekosten vermeiden. Diese werden für Deutschland auf mindestens 148 Millionen Euro pro Tag oder 54 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.[2] Die jährlichen Kosten des deutschen Gesundheitswesens belaufen sich auf 287 Millionen Euro für die Erstversorgung, 9 Millionen Euro für psychotherapeutische Behandlungen und 145 Millionen Euro für die Versorgung nach Suizidversuchen.[3]
„Kürzungen in einem Bereich können schnell in anderen Bereichen spürbar werden, wenn Rat- und Hilfesuchende weiterwandern müssen“, so Dorothea Zimmermann, Geschäftsführerin von Wildwasser e.V. in Berlin.
Das Traumanetz Berlin ist ein fachübergreifendes Netzwerk, welches sich für die Verbesserung der psychischen Gesundheitsversorgung von gewaltbetroffenen, komplex traumatisierten Frauen mit und ohne Kinder einsetzt. Mit der Ratifizierung der Istanbul-Konvention („Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“) hat sich Deutschland zu einer ganzheitlichen Gewaltschutzstrategie verpflichtet. Ganzheitlicher Gewaltschutz berücksichtigt auch die „unsichtbare“ psychische Ebene und erkennt das damit einhergehende Leid der Betroffenen an.
Um die immensen öffentlichen Kosten zu vermeiden, fordert das Traumanetz Berlin dringend folgende Maßnahmen:
- Schaffung von ausreichenden ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Kapazitäten im Rahmen der regionalen Bedarfsplanung
- Ausreichende Finanzierung von (teil-)stationärer Traumabehandlung, inkl. des erhöhten Personalbedarfs, der Umbaumaßnahmen für Einzelzimmer, der intensivierten Netzwerkarbeit und integrierter Mutter-Kind-Behandlungen
- Etablierung von traumasensiblen Qualitätsstandards für die Versorgung von Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind
- Schaffung von Zugängen zur psychotherapeutischen und psychiatrischen Versorgung für Personen mit Sprachmittlungsbedarf
- Ausreichende Finanzierung von benötigten Schutzplätzen sowie Aus- und Aufbau von Fachberatungsstellen
- Schaffung von spezialisierten Kriseneinrichtungen für psychisch stark belastete Frauen mit Schutzbedarf sowie von geschlechtsspezifischen und traumasensiblen Angeboten in der Suchthilfe
Die Forderungen werden durch die folgenden Netzwerkpartner*innen des Traumanetz Berlin unterstützt:
Alexianer St. Joseph Berlin-Weißensee
BORA e.V.
Frauenhaus Cocon
Frauenraum e.V.
LARA e.V.
Psychotherapeutenkammer Berlin
Wildwasser e.V.
Zufluchtswohnungen hestia e.V.
Pressekontakt:
Mail: traumanetz@signal-intervention.de
Fon: 030 / 54 61 71 11
Quellen:
[1] Schröttle, M. & Müller, U. (2004). Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland. Eine repräsentative Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland. Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Berlin. Verfügbar über: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/studie-lebenssituation-sicherheit-und-gesundheit-von-frauen-in-deutschland-80694.
[2] European Institute for Gender Equality (2021). The costs of gender-based violence in the European Union.
Verfügbar über: eige.europa.eu/sites/default/files/documents/20213229_mh0921238enn_pdf.pdf.
[3] Sacco, S. (2017). Häusliche Gewalt Kostenstudie für Deutschland, Gewalt gegen Frauen in (ehemaligen) Partnerschaften. Cottbus: tredition GbmH.
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