Am 15. Oktober 2024 fand im Rathaus Schöneberg eine Fachveranstaltung der Fachstelle Traumanetz Berlin mit dem Titel „Stationär und ambulant Hand in Hand – zusammen Versorgungslücken schließen“ statt. Die Veranstaltung widmete sich der drängenden Frage, wie die traumatherapeutische Versorgung von Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erfahren haben, verbessert werden kann.
Vernetzung und neue Perspektiven
Mit Grußworten von Staatssekretärin Ellen Haußdörfer, Bezirksstadtrat für Jugend und Gesundheit Oliver Schworck und dem Betroffenenrat des Traumanetz wurde die Veranstaltung eröffnet. Ein zentrales Anliegen war die Zusammenarbeit zwischen stationären und ambulanten Akteur*innen sowie die Einbindung der Betroffenenperspektive in die Angebotsentwicklung. Die Sprecherin des Betroffenenrats des Traumanetz Berlin, Franziska Steinhöfel, betonte, wie wichtig es ist, Betroffene als gleichberechtigte Partner*innen in diesem Prozess einzubeziehen.
Wachsende Herausforderungen
Der Handlungsbedarf in der Gesundheitsversorgung ist enorm. Aktuelle Berichte, wie der BKA-Lagebericht zur geschlechtsspezifischen Gewalt an Frauen und der Monitor Gewalt gegen Frauen des Deutschen Instituts für Menschenrechte, zeichnen ein erschreckendes Bild: Fast jeden Tag wird eine Frau ermordet, weil sie eine Frau ist (Femizid). Jede dritte Frau in Deutschland ist mindestens einmal in ihrem Leben von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen. Die psychischen und gesundheitlichen Folgen sind gravierend, während bestehende Angebote oft nicht ausreichen. Dabei erfahren 89–94% der Betroffenen psychische Belastungen als Folge von Gewalt (BMFSFJ, 2014).
Ein Meilenstein – drei spezialisierte Klinikangebote in Berlin
Ein Meilenstein in der Versorgung ist die Einrichtung von stationären und teilstationären traumatherapeutischen Angeboten für gewaltbetroffene, traumatisierte Frauen in Berlin. Drei Kliniken bieten seit 2023 spezialisierte Traumatherapie an, was einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Versorgung darstellt. Die Fachstelle Traumanetz Berlin hat den Aufbau der Klinikangebote im Rahmen des „Berliner Modellvorhabens zur Versorgung gewaltbetroffener Frauen mit traumatherapeutischen Behandlungsbedarf sowie ihren Kindern im Rahmen eines integrativen Netzwerks“ eng begleitet.
Forderungen und Lösungsvorschläge
Vertreterinnen der Kooperationskliniken, der Psychotherapeutenkammer Berlin und des Betroffenenrates Traumanetz sowie Teilnehmer*innen haben konkrete Forderungen formuliert, um Versorgungslücken zu schließen:
- Erweiterung der Kapazitäten: Die enorme Nachfrage nach spezialisierten Therapieplätzen, insbesondere für Traumatherapie, erfordert eine deutliche Ausweitung der Kapazitäten. Mehr Therapieplätze können dazu beitragen, Wartezeiten zu verkürzen und rechtzeitig Hilfe anzubieten.
- Verbesserte Koordination: Regionale Netzwerke und sektorenübergreifende Zusammenarbeit zwischen Kliniken, niedergelassenen Therapeut*innen und Beratungsstellen könnten die Kontinuität in der Behandlung fördern.
- Unterstützung für Fachpersonal: Die Qualität der Versorgung hängt wesentlich von gut geschultem und entlastetem Fachpersonal ab. Zusätzliche Ressourcen für Weiterbildung, bessere Arbeitsbedingungen und Zeit für Netzwerkarbeit könnten die Versorgung nachhaltig verbessern und das Personal langfristig binden.
- Politische Unterstützung: Ausreichende Finanzierung ist essenziell, um konkrete Maßnahmen wie den Bau von Einzelzimmern, faire Vergütungen und die Einbindung von Genesungsbegleiter*innen umzusetzen. Diese Investitionen verbessern nicht nur die Rahmenbedingungen, sondern auch die Behandlungsergebnisse.
Diese Forderungen weisen den Weg zu einer nachhaltigeren und effektiveren Versorgung von gewaltbetroffenen und traumatisierten Frauen und setzen wichtige Impulse für die Verbesserung des Gesundheitssystems in diesem Bereich.
Gemeinsam handeln
Die Veranstaltung verdeutlichte, dass nur durch Zusammenarbeit und politische Unterstützung nachhaltige Verbesserungen erreicht werden können. Der Betroffenenrat des Traumanetz Berlin appelliert an Gesundheitspolitiker*innen, die dringenden Forderungen aufzunehmen und umzusetzen.
Die Schirmherrschaft übernahm das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg. Die Veranstaltung wurde im Rahmen der Woche der seelischen Gesundheit organisiert und vom Paritäter Landesverband Berlin, von der Deutschen Kassenlotterie Berlin sowie von der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege im Rahmen des Integrierten Gesundheits- und Pflegeprogramm (IGPP) finanziert.
Dokumentation der Fachveranstaltung: